Ukrainer in der Schweiz
Zuwanderer aus der Ukraine, die in der Schweizerischen Eidgenossenschaft leben, sind in der Ukrainischen Gesellschaft in der Schweiz vereint. Gemäss Artikel 60 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches ist es eine öffentliche Organisation.
Offizielle Beweise für die Aktivitäten der Ukrainer in der Schweiz stammen aus der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Die ersten ukrainischen Auswanderer waren hauptsächlich Künstler, Politiker und Studenten, darunter S. Podolinsky, I. Chernyshov, V. Nagirny, M. Drahomanov. Letzterer lebte von 1876-1889 in Genf und war im Verlagswesen und in der Politik tätig und vertrat die ukrainische nationale Befreiungsbewegung in Westeuropa.
Organisatorisch begannen sich die Ukrainer 1945 in der Schweiz zu vereinen, als die Schweizer Regierung ihre Grenzen für zahlreiche Kriegsgefangene, Ostarbeiter und Migranten aus der Sowjetunion öffnete. Nach den historischen Materialien der Gemeinde begann nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Genf eine Gruppe von Einwanderer aus der Ukraine, in verschiedenen Bereichen aktiv zu werden – politisch, humanitär. Zur sogenannten Genfer Gruppe gehörten bekannte Persönlichkeiten der ukrainischen Geschichte wie der Diplomat Y.Bachynsky, O.Nyzhankivsky zusammen mit dem ehemaligen Sekretär des ukrainischen Zentralrates M.Yeremiyiv, der ein ukrainischer Politiker und eine kirchliche Persönlichkeit war.
1945 wurde die Union der Ukrainer unter der Leitung von I.Ogienko (Metropolit Hilarion) und 1947 das ukrainische Hilfskomitee in Genf unter der Leitung von M. Rudnytska gegründet, deren Ziel war die Unterstützung der ehemaligen ukrainischen Kriegsgefangene und Flüchtlinge aus der UdSSR in der Schweiz, in Österreich und Deutschland, sowie Studenten, die in der Konföderation studiert haben. Zu dieser Zeit gab es 21 von ihnen, die sich in der Studentengemeinschaft der Universität Bern zusammengeschlossen hatten. Zur gleichen Zeit war die Ukrainische Hilfsgesellschaft in Zürich tätig, die zuerst von V.Lytvyn und dann von V.Stykhar geleitet wurde.
Leider dauerten die Aktivitäten dieser Organisationen nicht lange. Aufgrund mangelnder Beschäftigungsaussichten und mangelnder finanzieller Unterstützung verliess eine erhebliche Anzahl ukrainischer Studenten die Schweiz. M.Rudnytska verliess das Land ebenfalls, weil es unmöglich war, aktiv öffentliche Aktivitäten durchzuführen.
In der Zwischenzeit versammelte sich die ukrainische Gemeinde weiterhin mit der Unterstützung der Kirche und organisierte Veranstaltungen anlässlich der ukrainischen Feiertage, in Erinnerung an Taras Shevchenko, Lesya Ukrainka, Skovoroda und andere ukrainische Prominente, um diese zu würdigen.
1951 erhielt die ukrainische Gemeinschaft in der schweizerischen Eidgenossenschaft einen neuen Namen für ihren Verein – "Ukrainische Gesellschaft in der Schweiz", deren Vorsitzender war seit 1974 R.Prokop.
Die ukrainische Diaspora in der Schweiz im 20. Jahrhundert war verbunden mit bekannten ukrainischen Persönlichkeiten wie z.B. die Tochter des berühmten Politikers P.Skoropadsky - Olena Ott-Skoropadskaya (gest. 04.08.2014, Zürich), der ukrainischen Choreograf S.Lifar (gest. 15.12.1986, Lausanne) und seine Frau Gräfin A.L D’Allefeld-Laurvik (gest. 27.08.2008, Lausanne), Honorarkonsul der Ukraine in Genf B. Gavrylyshyn (gest. 24.10.2016, Kiew).
Heute wird die "Ukrainische Gesellschaft in der Schweiz" vom Präsidenten des Vereins Andrey Luzhnytsky geleitet – der Gründer und Vorsitzender der wissenschaftlichen Gesellschaft namens Taras Shevchenko in der Schweiz. Zudem ist er auch Koordinator für die Ukraine des Interfakultätsinstituts für Mittel- und Osteuropa an der Universität Freiburg. Er ist Organisator zahlreicher wissenschaftlicher Konferenzen und Symposien zu ukrainischen Themen in der Schweiz. Andrey Luzhnytsky ist Autor und Herausgeber vieler Publikationen über die Ukraine. Im Mai 2014 wurde er zum Honorarkonsul der Ukraine in den französischsprachigen Kantonen Wallis, Waadt, Neuenburg, Freiburg und Jura ernannt.
Die Ereignisse der Revolution der Würde und der russischen Aggression gegen die Ukraine haben dazu beigetragen die ukrainische Gemeinschaft zu vereinen. Zunächst für freiwillige und wohltätige Aktivitäten, später für humanitäre und informationsbezogene Aktionen. Gleichzeitig wurde die Diaspora erneuert und verjüngt, dadurch bildeten sich lokale Zellen dieser Organisation, insbesondere in Basel, Bern, Zürich, Lausanne, Genf und St. Gallen. In den letzten Jahren wurden Organisationen wie die Vereine "Freie Ukraine", "Romandia - Ukraine", "Kinder-UA", "Ukrainer der Schweiz" gegründet.
Der Zweck lokaler Zellen besteht darin, Kontakte zwischen Ukrainern in der Schweiz herzustellen, die ukrainische Kultur, ihre Riten und Traditionen zu bewahren, zu pflegen und Informationen über die Ukraine und ihre Vertretung in der Schweizer Gesellschaft zu verbreiten.
Die Ukrainer des Bundes unterstützen aktiv das Lernen der ukrainischen Sprache durch Kinder der Diaspora. In der Schweiz existieren zu diesem Zweck Samstag- und Sonntagsschulen. Die grössten von ihnen sind die ukrainische Samstagsschule "Barvinok" in Basel; "Native School" in Zürich; Samstagsschule "Zernyatko" in Lausanne.
Zu den grösseren Prioritäten und Projekten der ukrainischen Gemeinschaft in der Schweiz gehören: die Organisation der jährlichen ukrainischen Foren im Bundestag; Förderung der Anerkennung des Holodomor in der Ukraine von 1932 bis 1933 als Völkermord am ukrainischen Volk; Ukrainische Filmfestspiele "Svitanok" in Zürich; Ukrainisch-schweizerische wissenschaftliche Podiumsdiskussion "Ukrainisch-schweizerische Beziehungen: Geschichte und Moderne" an der Universität Freiburg; Organisation von ukrainischen Literaturabenden in ukrainischer und deutscher Sprache in Zusammenarbeit mit der Basler Literaturgesellschaft; Organisation von jährlichen Camps für ukrainische Kinder "Children-UA" und Freiluftfest für ukrainische Künstler in Oberwile; zahlreiche humanitäre Projekte zur Unterstützung von Waisenhäusern und medizinischen Einrichtungen, Familien mit niedrigem Einkommen und Familien des ukrainischen Militärs in der Ukraine.
Die ukrainische Gemeinschaft in der Schweiz ist ein aktiver Organisator der humanitären medizinischen Hilfe für Kinder- und Sozialeinrichtungen sowie für bedürftige ukrainische Familien. Zu den jüngsten gemeinsamen humanitären Aktionen der Botschaft und der Ukrainer der Schweiz gehört der Transfer von medizinischem Material für medizinische Einrichtungen in Poltawa im Januar 2021.
2019 wurde die Ukrainische Gesellschaft in der Schweiz von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für den Europäischen Diaspora-Preis nominiert. Der Preis wird jährlich an Diaspora-Verbände für Leistungen in folgenden Bereichen vergeben: Unterstützung der Integration im Gastland, Entwicklung der kulturellen Unterstützung und Entwicklung von Beziehungen zum Herkunftsland und dessen Unterstützung.
Nach offiziellen Angaben haben 65 000 Ukrainern einen Schutzstatus S in der Schweiz erhalten. Die Ukrainer leben gleichmäßig in allen Kantonen der Schweiz.
Die öffentliche Organisation der Ukrainer ist die Ukrainische Gesellschaft in der Schweiz. Lokale Zweigstellen der Ukrainer sind in verschiedenen Städten tätig, insbesondere in Zürich, Basel, Bern, Lausanne, Genf, St.Gallen, Chur, Lugano, Zug. Es gibt auch Ukrainische Gesellschaft der Zentral- und Ostschweiz und die Authentika Ukrainische Gesellschaft, die in der Schweiz registriert sind.
Am 24. Februar 2023 fanden in den Städten der Schweiz zahlreiche Aktionen und Solidaritätsmärsche zur Unterstützung der Ukraine statt. Am 4. März 2023 fand in Bern mit Unterstützung von Nationalräten der Freundschaftsgruppe des Schweizer Parlaments eine Solidaritätsaktion zur Unterstützung der Ukraine statt, und am 25. März fand in Lausanne eine Protestaktion „NEIN“ zu „neutralen“ Athleten aus Russland und Weißrussland bei den Olympischen Spielen 2024.“
Am 8.Mai 2023 versammelten sich die Ukrainer in Bern, Zürich und Genf zum Tag des Gedenkens und der Versöhnung an Opfer, die gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben.